Cop Shoot Cop: Ask Questions Later

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Cop Shoot Cop - Ask Questions Later

COP SHOOT COP – Ask Questions Later – Interscope 1993

Was für eine zeitlose Platte! Neulich nochmal drüber gestolpert, möchte ich einmal eine Lanze brechen für diese 1987 in NY gegründete, stets einzigartige Noise Rock Band und ihre vermutlich beste Platte, nicht nur unter kommerziellen Gesichtspunkten.

Diese dritte LP, erstmals auf Interscope (1993, zeitgleich u.a. Helmet, Nine Inch Nails), bringt alle Trademarks, die schon auf den ersten beiden Platten den Sound geprägt haben, auf den Punkt. Am ungewöhnlichsten an der Besetzung, und ich habe es ziemlich lange schlicht nicht geglaubt, ist: es gibt keine Gitarre, stattdessen 2 Bässe, einer Lo-End, einer Hi-End, und zusätzlich zu Gesang und Drums/Schlagwerk einen Sampler, der einiges an verstörenden und hypnotischen Geräuschen beiträgt. „Industrial“ trifft es am ehesten, maschinenhafte Rhythmen herrschen vor, Tod A´s meist tiefer Gesang immer zynisch, ätzend, desillusioniert.

Für mich war das „damals“ eine Tür in eine andere Welt: Härte in Musik kannte ich nur aus schnellem Hardcore oder fiesem Deathmetal. Das hier war ganz anders: ständige Samples im Hintergrund, fiese Geräusche, Schrottgeklapper, Sirren und Flirren, unerbittliche Bässe, punktgenau, das alles aber in einer eigenen Harmonik, nicht unmelodiös. Aber treibend. In der Soundästhetik vermutlich am dichtesten an Foetus, saß diese Platte für mich immer zwischen allen Stühlen.

Die bekanntesten „Hits“ waren „10$ Bill“ und natürlich „Room 429“ (später gecovert von Strapping Young Lad), beide konnte man „damals“ durchaus mal auf MTV mitnehmen, als das noch Musikfernsehen war (gibt’s den Sender überhaupt noch?). Herrlich, wie absolut kontrolliertes Gerumpel auf kaputten Blues trifft, auf 5/8-Takte, alles mit dem Ziel, der westlichen Zivilisation die Maske runterzureissen. Drummer Phil Puelo spielt heute bei den Swans, auch die Verwandschaft scheint natürlich. Und obwohl die Platte seinerzeit sogar in der Spex Jahresliste auftauchte (immerhin Platz 7, zu Recht!), scheint sie vollkommen in Vergessenheit geraten zu sein. Die Swans sind (auch zu recht) in aller Munde, aber diese klassische Noise Rock Platte scheint nicht im kollektiven Gedächtnis hängengeblieben zu sein. Angesichts der Perfektion ein Rätsel. Für mich.

„Surprise Surprise“ ist ein unglaublich starker Opener mit stumpfer Sogwirkung, gleich darauf „Room 429“, langsamer und melodiöser, aber nicht weniger treffend („what you don’t understand is where everthing’s leading when all of the signs you see still point to overload“) und unheilvoll groovend, walzend: ebenfalls ein Sog nach unten. „Nowhere“ treibt eher nach vorn, das Bassriff treibt mich auf jeden Fall bis heute in den Wahnsinn. „Migration“ leitet perfekt über zu „Cut To The Chase“, mit der orientalisch anmutenden Violinenlinie, „Cause & Effect“, „Got No Soul“, „Everybody loves you (when your Dead)“: großartige Platte. Nach dem großen Finale „All the clocks are broken“ hat man nur noch einen Kloß im Hals, weil man gerade genau erklärt bekommen hat, warum da draußen alles, aber auch alles schief läuft und man selber mit Schuld daran hat.

Bleibt nur noch zu erwähnen, dass alle anderen Platten der Band ebenfalls großartig sind, dass es schon vorher mit „If Tomorrow Ever Comes“ so einen bedrückenden Schleicher-Hit gegeben hat wie „Room 429“, und daß auch auf der letzten Platte „Release“ eine Menge sehr gute Industrial-NoiseRock-Songs zu finden sind, die einen sehr lange begleiten können („The Divorce“, „Any Day Now“, „Anonymous“, „It Only Hurts When I Breathe“, „Swimming In Circles“…).

Tod A spielt seit der Auflösung Cop Shoot Cops bei Firewater, ebenfalls interessant, aber für meine Begriffe nicht mehr so zwingend, so bitter und schwarz wie C$C.

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