Nation Of Ulysses: Plays Pretty for Baby

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THE NATION OF ULYSSES – Plays Pretty for Baby – Dischord 1992

Eine von den Scheiben, die ich beim ersten Hören eigentlich gleich wieder wegschmeißen wollte. Aber weil ich mir eben doch die Platte gekauft und nicht einfach was runtergeladen habe, habe ich dem Ding doch noch ein paar Chancen mehr gegeben . Und es sollte sich lohnen. NOU sind immer noch eine meiner absoluten Lieblingsbands und ich verzweifle geradezu an der Tatsache, dass ich sie niemals live gesehen habe.

Los ging es Anfang der 90er mit meiner Dischord-Phase (gehört zu jeder anständigen Adoleszenz!), als ich dank eines Freundes (Danke, Flip!) auf Fugazi aufmerksam wurde und in der Folge versuchte, soviel wie möglich von diesem Label zusammenzutragen, das für mich eine ganz andere Art von Punk verkörperten, als das, was ich davon bisher kannte (Sex Pistols, Saufen usw.). Mal abgesehen von der ganzen DIY-Ethik, zeigte Dischord mir, dass Punk durch soviel mehr Sounds verkörpert werden konnte, als das 08/15-drei-Akkord-Geriffe. Da gab es Bands wie Shudder To Think, Jawbox, Lungfish, Beefeater und Gray Matter, die so dermaßen anders klangen, als alles andere, was ich bis dahin kannte. Zum Einstieg sei hier die extrem gute „20 Years of Dischord„-Compilation empfohlen.

Tja, und dann waren da noch NOU. Im Plattenladen ein Blick, „Oh, geiles Cover“, Rückseite angeschaut „Oh, Dischord. Oh, der Bruder vom Fugazi-Schlagzeuger ist auch dabei“. Gekauft. Zuhause aufgelegt „Oh, was ist das denn?“: Feedback, kryptische Ansage, die viel zu lange zu dauern scheint und dann das: quietschende Gitarren über schepperndes Schlagzeug, dann Ian Svenonious´ Stimme, krächzend, kreischend. Wie gesagt, war das ganze beim ersten Hören erstmal ein Schlag in die Fresse, da hier soviel zugleich passieren schien, alles so chaotisch und absolut over the top war, dass ich als 16-jähriger erstmal etwas überfordert war. Platte durchgehört und erstmal verwirrt weggelegt. Harter Tobak.

Dazu kam dann noch die ganze Ästhetik: Typen in Anzügen, mit Tolle, irgendwie retro, aber irgendwie doch wie aus der Zukunft. Das Booklet: ein einziges umfangreiches, rätselhaftes Pamphlet mit Wortungetümen und sinnlos erscheinenden Abkürzungen, das die Nation Of Ulysses als eine Art sonischer Terror-Gruppe des Teenager-Untergrunds darstellte. Klingt ziemlich konfus, macht aber im Gesamtbild durchaus Sinn. Später fand ich heraus, dass die Band ein eigenes Zine namens „Ulysses Speaks“ (siehe unten) herausbrachte, das den Wahnsinn aus dem Booklet noch auf die Spitze trieb.

Aber auch wenn die Scheibe erstmal zur Seite gelegt wurde, irgendwie fand sie immer wieder den Weg zurück in die Anlage. Und was man alles entdecken konnte: seien es die dissonante Trompete, die hier und da mal im Hintergrund rumposaunt, oder diese schleichenden Jazz-Passagen, die an irgendeinen kaputten Noir-Film erinnern. Nicht zuletzt diese Passagen sind es, die der Band etwas Vampir-haftes geben. Aber sie haben auch einen Flow, wenn man es denn so nennen will. Irgendwann finden all die chaotisch durcheinanderwirbelnden Einzelteile zusammen und lösen – auch wenn es nur selten passiert – alles auf, sodass geradezu erlösende Breaks und Harmonien entstehen. Schwer zu beschreiben. Muss man hören.

Die Debut-Scheibe „13-Point Program to Destroy America“ (und an dieser Stelle heißen wir die NSA als neuen Mitleser willkommen!) beinhaltet auch schon alles, was „Plays Pretty for Baby“ ausmacht, kommt meiner Meinung nach aber nicht ganz heran. Die Jahre später erschienene „Embassy Tapes“  Live-Platte finde ich soundmäßig hingegen nicht ganz so toll, obwohl sie schon einen ganz guten Eindruck des Live-Geschehens wiedergibt.

Das Vampir-hafte konnte ich später auch live erleben als ich Svenonious mit den Nachfolgebands The Make-Up und Weird War sah, als diese in Münster im Gleis 22 spielten. Komischerweise war das allererste mal, dass ich ihn sah, als er mit The Make-Up gerade aus dem Dönerladen bei Butt´s Bierstube gegenüber vom Gleis kam. Auf der Verkehrsinsel in der Mitte der Straße stand ich dann neben diesem kleinen Mann und habe mich gegruselt. Möglicherweise ist er überhaupt nicht nett, sondern ein egozentrischer Narziss und größenwahnsinniger Psycho. Beeindruckend ist er allemal.

Photo: M. Galinsky
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